Für diesen Blog habe ich bewusst mein gewohntes Terrain verlassen: Statt Waldwegen und Naturmotiven ging es für mich in die Stadt. Raus aus der Idylle, rein in den Alltag – mit dem Ziel, einen Einblick in die Streetphotography zu bekommen.
Und so viel kann ich vorwegnehmen: Es war auf vielen Ebenen herausfordernd.
Was genau ist eigentlich Streetphotography?
Streetphotography ist ein Begriff, der nicht eindeutig definiert ist. Als ich ihn zum ersten Mal gehört habe, dachte ich schlicht an „Fotografie auf der Straße“. Und damit lag ich auch nicht ganz falsch – allerdings reicht das nicht, um das Genre zu verstehen.
Denn je nachdem, wen man fragt, ist Streetphotography etwas anderes:
- Für die einen geht es um Architektur, Straßenzüge, urbane Strukturen.
- Für andere steht ganz klar der Mensch im Mittelpunkt – als Beobachter des Alltags, als Teil des Stadtbildes, als zufälliges Motiv in einer flüchtigen Szene.

Was „richtig“ oder „falsch“ ist? Darüber wird viel diskutiert. Einig ist man sich selten. Und genau das macht den Einstieg so unübersichtlich.
Erste Inspirationen und die Erkenntnis: Es ist nicht so leicht, wie es aussieht
Bevor ich mich mit der Kamera in die Stadt wagte, holte ich mir Inspiration – vor allem auf Pinterest und YouTube. Besonders beeindruckt hat mich dabei Siegfried Hansen, ein renomierter deutscher Streetfotograf. Seine Fotos sind geprägt von klaren Linien, grafischen Mustern und subtilen Zusammenhängen. Er schafft es, Strukturen im Chaos zu finden – das hat mich extrem fasziniert.
Motiviert davon machte ich mich auf die Suche nach ähnlichen Mustern und Formen in meiner Umgebung. Nur: Ich fand keine. Oder besser gesagt – ich sah sie nicht.

Die Fähigkeit, solche Szenen zu entdecken, braucht offensichtlich mehr als ein gutes Vorbild und eine Kamera. Sie erfordert Übung, Geduld und ein geschultes Auge.
Die rechtliche Hürde
Bevor ich überhaupt den Auslöser drücken konnte, stellte sich eine zentrale Frage: Darf ich das überhaupt?
In Deutschland ist Streetphotography rechtlich gesehen ein Minenfeld – besonders, wenn Menschen auf den Bildern zu erkennen sind.

Es greifen gleich mehrere Gesetze und Rechte:
- Recht am eigenen Bild
- Urheberrecht
- Kunstfreiheit
- Datenschutz (DSGVO)
- Grundgesetz
Was kompliziert wird: Diese Rechte stehen sich teilweise gegenüber – und heben sich in bestimmten Situationen gegenseitig auf. So richtig verstanden habe ich das selbst nicht. Was aber hängen blieb: Sobald eine Person erkennbar abgebildet ist, brauche ich ihre ausdrückliche Erlaubnis. Und selbst diese kann jederzeit widerrufen werden.

Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, einen Anwalt zu konsultieren – einfach um sicherzugehen. Mir wurde allerdings davon abgeraten: Die rechtliche Lage ist so unklar, dass viele Juristen lieber keine definitive Aussage treffen, um eine falsche zu verhindern. Im Zweifel hätte man mir vermutlich eher vom Fotografieren abgeraten als mir eine Freigabe erteilt.
Also blieb nur ein pragmatischer Weg: Entweder keine erkennbaren Personen fotografieren – oder nur mit Erlaubnis. Ich nahm mir vor, auf Nummer sicher zu gehen… zumindest theoretisch.
Erste Schritte auf der Straße – zwischen Unsicherheit und Schamgefühl
Geplant war eigentlich, mich vorsichtig an die Sache heranzutasten: Architektur, Straßenzüge, Mülltonnen, Graffiti. Keine Gesichter. Keine Konflikte. Kein Risiko.
Doch wie das so ist – ich hielt mich nicht daran.

Ich merkte schnell, dass mich bestimmte Szenen interessierten, in denen eben doch Menschen vorkamen. Situationen mit Bewegung, Emotion, Kontext. Und trotzdem war da ständig ein komisches Gefühl:
- Darf ich das gerade fotografieren?
- Was, wenn mich jemand sieht oder anspricht?
- Was, wenn ich jemanden damit verletze oder verärgere?
Hinzu kam ein diffuses Schamgefühl. Aus unerklärlichen Gründen war es mir unangenehm, Vandalismus, Graffiti oder einfach den „Müll des Alltags“ zu fotografieren. Noch schwieriger war es, die Kamera bewusst auf Menschen zu richten – auch wenn es keine Porträts waren. Gerade bei Frauen oder Kindern hatte ich eine enorme Hemmschwelle, weil ich keine unangenehme Situation auslösen wollte. Besonders, weil viele meiner Touren in meiner eigenen Heimatstadt stattfanden – ein Ort, an dem ich nicht als „der seltsame Typ mit der Kamera“ abgestempelt werden wollte.

Technik und Tipps – warum Theorie oft nicht zur Realität passt
Im Netz gibt es zahllose Tipps für unauffälliges Street-Fotografieren:
- Schwarz kleiden
- Kompakte Kamera benutzen
- Leise Verschlüsse
- Aus der Hüfte fotografieren
In der Theorie klingt das alles machbar – nur: Ich habe nicht das passende Equipment dafür.
Meine Kamera ist eine große Vollformatkamera mit einem entsprechenden Objektiv – auffällig und schwer. An unbemerktes Fotografieren war kaum zu denken. Auch das Fotografieren „aus der Hüfte“ liegt mir nicht – ich mag es, ein Motiv bewusst zu komponieren, zu belichten und zu fokussieren. Spontan draufhalten und hoffen, dass etwas Gutes entsteht – das ist nicht mein Stil.

Das soll keine Kritik an erfahrenen Streetfotograf*innen sein. Im Gegenteil: Ich habe höchsten Respekt vor denjenigen, die sich sicher in diesem Genre bewegen. Ich schildere hier lediglich meine Perspektive als Einsteiger mit vielen Fragen und Unsicherheiten.
Rückblick: Was bleibt?
Nach mehreren Touren habe ich meine Bilder gesichtet. Einige sind okay. Ein paar gefallen mir richtig gut. Andere finde ich rückblickend unangenehm – nicht nur wegen des Motivs, sondern auch wegen des Gefühls, das ich dabei hatte.
Streetphotography ist mehr als nur ein Foto auf der Straße. Es ist eine Herausforderung – rechtlich, technisch und emotional. Sie zwingt dich, sich mit dir selbst auseinanderzusetzen: Wie gehe ich mit Grenzen um? Wo liegt meine persönliche Komfortzone? Und wie weit will ich für ein gutes Bild gehen?

Für mich war dieses Experiment wertvoll. Ich habe viel gelernt – über Fotografie, über mein eigenes Verhalten, und über die Gesellschaft, in der ich fotografiere.
Aber: Ich werde mich in Zukunft wohl wieder mehr auf Natur- und Landschaftsmotive konzentrieren. Die Ruhe dort liegt mir mehr – auch wenn ich das Thema Street nicht ganz abschreiben möchte. Architektur und urbane Szenen bleiben interessant. Vielleicht wage ich irgendwann einen neuen Anlauf – mit mehr Wissen, Erfahrung und in einer anderen Stadt.
Fazit:
Streetphotography kann spannend, kreativ und inspirierend sein – aber sie ist in Deutschland auch komplex, oft unangenehm und nicht immer rechtssicher. Wer sich darauf einlässt, sollte sich gut informieren, seine Grenzen kennen und vor allem lernen, mit Unsicherheit umzugehen. Für mich war es ein spannender Selbstversuch.
