Als Natur- und Landschaftsfotograf hatte ich schon das Glück, viele faszinierende Orte entdecken zu dürfen. Doch trotz all dieser Erfahrungen gibt es Erlebnisse, die herausstechen – nicht wegen der perfekten Aufnahme oder des idealen Lichts, sondern wegen des Gefühls, das sie hinterlassen. Heute möchte ich euch von einem dieser Erlebnisse erzählen. Einem Ort, der mich gleich zweimal hintereinander tief beeindruckt hat. Und das, obwohl ich mit den Bildern, die ich dort gemacht habe, eigentlich unzufrieden bin.
Wie alles begann – Auf der Suche nach dem perfekten Wasser
Wasser hat mich als Fotomotiv schon lange fasziniert. Im richtigen Licht, eingebettet in natürliche Umgebung, entsteht daraus eine Dynamik, die auf Bildern beinahe lebendig wirkt. In letzter Zeit war ich zunehmend neidisch auf die Werke anderer Fotografen, die reißende Flüsse, Wasserfälle oder Bäche perfekt eingefangen haben. Genau solche Motive wollte ich auch – in meinem Stil.
Ich begann, online nach geeigneten Orten zu recherchieren. Natürlich kannte ich einige Flüsse der Region – die Ruwer, Mosel oder Kyll. Doch sie eigneten sich kaum für das, was ich suchte. Irgendwann stieß ich auf den Sirzenicher Wasserfall.
Der Name sagte mir zunächst nichts – und doch sollte sich dahinter einer der faszinierendsten Orte der Region verbergen.
Obwohl ich ihn erst einmal nur speicherte und nicht weiter beachtete, ließ mich die Vorstellung nicht los. Zwei Wochen später, an einem besonders schwülen, heißen Tag, erschien mir ein schattiger Wald mit Bachlauf wie der ideale Rückzugsort. Ich schlug meiner Freundin vor, den Tag dort zu verbringen – und wir machten uns auf den Weg.
Der Weg ins Busental – Zwischen Stadtgrenze und Wildnis
Wir parkten das Auto am Rand einer kleinen Straße in der Nähe von Sirzenich. Eine schmale Straße schlängelte sich zwischen Felsen und Bäumen hindurch und verband die Stadt mit dem Busental – einem kleinen Tal, das tatsächlich so heißt.
Im Tal selbst stehen nur wenige Häuser – vielleicht vier oder fünf. Die nächste größere Siedlung ist zwar nur 500 Meter entfernt, aber das Gefühl, hier völlig abgeschieden zu sein, war sofort da. Es war still, friedlich, beinahe unberührt. Die Umgebung wirkte landwirtschaftlich geprägt, ein Rückzugsort aus einer anderen Zeit.
Etwa 500 Meter hinter dem Ort begann der Pfad zum Wasserfall. Doch was uns erwartete, war mehr als ein einfacher Spazierweg. Der Einstieg verlief steil hinunter in den Wald, begleitet von einem wackeligen Holzgeländer. Umgestürzte Bäume versperrten den Weg, das Erdreich war durch den starken Regen des Vortags aufgeweicht. Jeder Schritt war eine Herausforderung – aber auch ein kleiner Nervenkitzel.
Nach dem steilen Abstieg erreichten wir einen Bach, den wir überqueren mussten. Schon hier hörten wir das Rauschen. Keine hundert Meter später standen wir davor: dem Sirzenicher Wasserfall.

Erste Begegnung – Nass, wild und wunderschön
Größer als erwartet, rauschte der Wasserfall etwa fünf bis sieben Meter über die Felsen hinab. Das Wasser zog sich durch eine von der Natur geformte Landschaft, die beinahe wie ein kleines Gebirge wirkte. Umgestürzte Bäume lagen kreuz und quer, bedeckt von Moos, eingebettet in das satte Grün des Waldes. Ich war sofort beeindruckt.


Dank meiner Kleidung – kurze Hose und Leguano-Schuhe – konnte ich nah herangehen. Schließlich stand ich knietief im Wasser, steuerte meine Kamera per Handy aus der Ferne. Das Titelbild dieses Beitrags entstand genau in diesem Moment. Es war kein perfektes Foto – das Licht war schwierig und ich hatte keinen Objektivfilter dabei – aber der Moment war dafür umso schöner.
Wir verbrachten viel Zeit dort, erkundeten das Gelände, beobachteten das Licht, das durch die Baumwipfel fiel. Der Ort hatte eine ganz eigene Magie – friedlich und dennoch voller Leben. Der Rückweg allerdings war eine echte Herausforderung: Der matschige, steile Anstieg verlangte uns alles ab. Als wir wieder am Auto ankamen, waren wir vollkommen erschöpft – und zugleich voller Zufriedenheit.
Für mich war klar: Ich muss wiederkommen.
Zweiter Besuch – Freunde, Schatten und ein neues Licht
Noch am selben Abend traf ich mich mit meinen besten Freunden. Beim gemeinsamen Sonnenuntergang erzählte ich von dem Wasserfall – und sie waren sofort begeistert. Also planten wir für den nächsten Abend einen Ausflug dorthin.


Wieder fuhren wir zu dem kleinen Parkplatz, wieder machten wir uns auf den Weg durch das Tal, wieder ging es den Hang hinab. Diesmal als Gruppe, mit viel Gelächter, aber auch Staunen. Ich glaube, der Ort hat auch meine Freunde beeindruckt.
Doch diesmal war es später geworden. Der Wald lag bereits im Schatten, und das Licht reichte kaum noch aus. Ich hatte mein Stativ nicht dabei, was die Aufnahmen stark erschwerte. Dennoch gelangen mir ein paar Bilder – unscharf, dunkel, aber mit einer seltsamen Tiefe. Vielleicht gerade deshalb faszinieren sie mich.

Ein Fazit aus zwei Tagen
Zweimal war ich an diesem Ort. Zweimal war es anders. Einmal mit meiner Freundin – ruhig, intensiv, wunderschön. Einmal mit Freunden – lebendig, gemeinschaftlich, voller Entdeckungslust. Beides war besonders. Beides bleibt in Erinnerung.
Auch wenn ich fotografisch nicht das erreicht habe, was ich mir erhofft hatte, habe ich etwas anderes gewonnen: Erlebnisse. Momente. Geschichten. Und die Erkenntnis, dass das beste Bild manchmal nicht auf der Speicherkarte, sondern im Kopf entsteht.
